#Lesenswert: Projekt@Party von @beqecufaj

Mein Freund und ehemaliger Bundesheer-Kamerad Christian Mayer, in dessen Büroräumlichkeiten wir im Rahmen unserer Initiative “Rot-Weiß-Rot in Europa” regelmäßig Tuesday Talks zu brennenden Themen machen, hatte mir den Roman projekt@party des Journalisten und Schriftstellers Beqë Cufaj empfohlen – und zwar nachdem Christian gehört hatte, dass ich mit vielen helfenden Händen zusammen die Österreichisch-Kosovarische Freundschaftsgesellschaft aufziehe.

Zuerst: Das Buch ist ein Büchlein. Und in Zeiten wie diesen ist zumindest für Menschen meiner Generation die Quantität an Text bei der Entscheidung darüber, zu einem Buch zu greifen oder es eher zu lassen, stark mitentscheidend. Die Lektüre des Buches dauert nicht länger als der Konsum eines “ausgewachsenen” Spielfilms. Dass ein Buch in aller Regel intellektuell mehr sättigt als ein Spielfilm muss hier nicht extra betont werden.2016-07 Buchcover projekt party

Der Roman ist eine Ich-Erzählung aus der Perspektive eines Aussteigers: Der Erzähler geht nach dem wohl schlimmsten persönlichen Schicksalsschlag, der einen Elternteil treffen kann, in ein Land “da unten” – dass das Land Kosovo heißt findet im Buch kein einziges Mal Erwähnung – um im Rahmen einer UN-Mission Entwicklungshilfe zu leisten. Daheim in Deutschland hatte er an einer Hochschule gelehrt.

Unerwartet aber umso kräftiger gesellt sich zur großen Ich-Erzählung im letzten Drittel des Buches eine kleine, die es aber “in sich” hat. Einer der Einheimischen, die ebenfalls für die Vereinten Nationen tätig sind, bricht sein Schweigen und hebt an zur großen Erzählung der jüngeren Geschichte seines Landes, nicht ohne ihr in Form seiner eigenen persönlichen Geschichte ein Gesicht zu geben. Diese kurze Ich-Erzählung ist wie ein wilder Wasserfall, der in die lange Ich-Erzählung, die sie wie ein meandernder Fluss ausnimmt, jene Diskontinuität setzt, die alles so interessant macht.

Und interessant ist er wirklich, der Roman. Mit vergleichsweise wenigen Worten schafft der Autor es, unzählige allgemeine Themen unserer Zeit und spezielle Themen im Verhältnis zwischen dem Kosovo und dem Rest der Welt zu thematisieren. Gespart wird weder mit Kritik an der Dekadenz und dem Mangel an Empathie des Westens, noch mit Kritik an mancher überkommender revanchistischen Mentalität (die ja die heutige Republik Kosovo mit ihrem gesamten Staatskonzept zu überwinden trachtet, Bürgerin ist Bürgerin und Bürger ist Bürger, unabhängig von Ethnien). Die Kritik, die in diesem Buch zum Ausdruck kommt, entstellt aber nie jene Menschen, die kritisiert werden, sie ist menschengerecht, und sie versäumt nie, das Gute im Menschen zu vermuten und auch zu benennen, wenn es denn sichtbar ist.

So hat das Buch zumindest bei mir mindestens eine nachhaltige Wirkung: Es macht Lust auf Zukunft. In der heutigen Republik Kosovo leben Menschen mit einem niedrigen Durchschnittsalter – also viele junge Menschen – mit ganz viel Hunger auf Zukunft, also mit Unternehmergeist, Bildungsdrang, Fleiß und allem, was dazu gehört, und wovon wir uns im Wohlstand – dessen Aufbau zweifellos vor Jahrzehnten mit einer ähnlichen Mentalität begonnen hat – die berühmte “Scheibe abschneiden” können. Es lohnt sich in einer umfassenden Weise, an einer gemeinsamen Zukunft eines Europa, zu dem die Republik Kosovo nicht nur geografisch gehört, zu arbeiten.

Das Buch ist 2012 im Secession Verlag, Zürich, erschienen.

Ihr/Dein/Euer
Lukas Mandl

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